Betrachtet man Edelmetalle unter dem Mikroskop, so zeigt sich, dass sie nicht amorph sonder kristallin aufgebaut sind. Charakteristisch für diese Metalle ist ihre besondere Eigenschaft zu rekristallisieren.
Das ermöglicht spezielle Bearbeitungsvorgänge, in denen das Material entsprechend des gewünschten Härtegrades verarbeitet wird. Gießt man Gold in Form eines Würfels, bilden sich relativ große Kristalle, wodurch dieses eine relative Weichheit erhält. Durch mechanische Bearbeitung lässt sich dieses kirstalline Gefüge und die Materialoberfläche des Goldkörpers verändern. Walzt man diesen Würfel aus, kommt es zu einer Dehnung des Metallgefüges und führt damit dazu, dass das Edelmetall sehr hart wird.

Das Metallgefüge weist dann eine sehr kleinkörnige Struktur auf. Würde man das Material nun weiter bearbeiten, würde es brechen.
Nun besteht aber bei Edelmetallen die Möglichkeit, das Gefüge durch Ausglühen rekristallisieren zu lassen. Wird das Edelmetall „rotglühend“ gemacht, bilden sich die Kristalle wieder und das Material erhält seine ursprüngliche Weichheit.
Diesen Vorgang des Bearbeitens und Ausglühens kann bei Gold so beliebig oft wiederholt werden, dass man aus einem Würfel eine Folie fertigen kann, die so dünn ist, dass man durch sie hindurchsehen kann.

Silber hat prinzipiell dieselbe Eigenschaft, die Anzahl der möglichen Ausglühvorgänge ist allerdings im Vergleich zu Gold deutlich niedriger. Der Einfluss des bearbeiteten Metallgefüges auf den Flötenklang zeigt sich beispielsweise im Vergleich zweier Rohre, die auf der gleichen Silberlegierung basieren, jedoch unterschiedlich verarbeitet sind.
Einerseits als hart gezogenes Rohr verarbeitet, das eine leichte Ansprache und einen brillianten Ton ermöglicht, andererseits als ausgeglühtes Rohr gefertigt erhält der Klang eine charakteristische Weichheit, Grobkörnigkeit und Rundheit und vermittelt zudem das Gefühl einer weniger direkten Ansprache.

Die individuelle Feinabstimmung

Mundplattenformen

Mundplatte und Kamin (blau) aus Vollsilber (Ag 925)

Mit verschiedenen Mundplattenformen kann einem Flötisten bei gleicher Kieferposition das Spielen wesentlich erleichtert oder erschwert werden. Die Form der Mundplatte hat also einen großen Einfluss auf das Spielgefühl.
Messungen haben ergeben, dass sich zwischen eng und weit gebauten Mundplatten die Länge des Blasstroms – Strecke vom Ausgang der Lippe bis zur Blaskante – bis zu 1 mm verändert.
Bei einer Totallänge von minimal 3 mm (piano 3. Oktave) und maximal 5 mm (forte, 1. Oktave) hat dies enorme Auswirkungen. Verschiedene Kieferstellungen können durch ein und dieselbe Mundplatte nicht kompensiert werden. Es gibt für jeden die passende Mundplattenform die den physionomischen Voraussetzungen angepasst, zu einem guten und hochwertigen Spielgefühl verhilft. Die individuelle Feinabstimmung spielt besonders bei der Auswahl der idealen Mundplattenform eine bedeutende Rolle.Hiermit werden die Weichen für eine gute, flötistische Entwicklung gestellt. Denn es ist besser darauf zu achten, dass beim Spielen der Winkel, das Abdeckverhältnis vom Mundloch und die daraus resultierende Tonqualität stimmt, als sich durch einen vielfach größeren Übungsaufwand verbunden mit einer ständigen Veränderung der Kieferposition um einen speziellen Klang zu bekommen, das Spielen zu erschweren.

Die Wahl der Mundplattenform

mundplatte ag925 au14k
Mundplatte aus Vollsilber, Kamin aus 14ct Gold (gelb)

Bei der Wahl der optimalen Mundplatte sind zwei wesentliche Kriterien zu berücksichtigen:

  • Die Passform der Mundplatte kann mit der Schuhgröße, die ein menschlicher Körper benötigt, verglichen werden.
  • Die Klangfarbe, die der Spieler realisieren möchte, würde dann dem Stil der Schuhe entsprechen.

Wie beim Schuhkauf ist es wichtig, dass der Spieler zunächst für sich die richtige Schuhgröße findet und sich dann darüber klar wird, welche Art von Schuhen er präferiert. Ob er nach eleganten Schuhen oder sportiven Modellen etc. Ausschau hält.
Genauso verhält es sich bei der Wahl der passenden Mundplattenform. Zunächst muss für den Spieler die passende Größe gefunden werden, bevor ein spezieller Klang seine Verwirklichung finden kann.

Diese Herangehensweise erspart unnötige Frustrationen und ermöglicht ein grundlegendes, besseres Spielgefühl.

Flötenbau heute

Was bleibt von den jahrhundertelang gut behüteten Geheimnissen des Flötenbaus über?

Heute ist dank modernster Techniken und Prüfverfahren fast alles nachvollziehbar. Prinzipiell sind das Wissen um die Konstruktionsmerkmale, Materialbeschaffenheiten, Bearbeitungsvorgänge, Formen usw. heute kein Geheimnis mehr. Ob aber dieses Know-How für den Bau eines qualitativen hochwertigen Flötenkopfs ausreicht? Ich glaube, dass es noch zusätzlich Kompetenz wie künstlerischer und handwerklicher Intuition bedarf um wirklich gute Instrumente zu bauen.

Der kleine Unterschied mit großer Wirkung

Im Profi-Bereich erzielen Feinabstimmungen besonders große Effekte und können entscheidend für den Erfolg sein. Durch ein perfekt abgestimmtes, individuelles Instrument verschafft sich der Flötist im Wettbewer eine andere Ausgangssituation. Bei vielen Sportarten entscheidet oft der Materialvorteil darüber, wer am Podest ganz oben steht. Auch für den Profimusiker gilt leider, dass nur der gut ist, der gewinnt. Mit der Palette an Rädchen und Schrauben, an denen gebastelt und gedreht werden kann um die individuelle, optimale Flöte zu kreieren, kann der Flötenbauer wichtige Unterstützung leisten.

Vortrag Werner Tomasi November 2010, Zip-Datei herunterladen (PDF)